Die Forschungen zur gemeinsamen baltischen Geschichte und damit den Beitrag zur Festigung der deutsch-baltischen-lettischen Beziehungen von Professor Dr. Ilgvars Misāns hat die Deutsche-Baltische Gesellschaft mit der Verleihung ihres Kulturpreises 2024 anlässlich der Mitgliederversammlung in Darmstadt gewürdigt.
Misāns ist seit 2002 Professor für Geschichte an der Universität Riga. Ein zentrales Thema seiner Forschungsarbeiten sind die Hanse und Alt-Livland, eine zersplitterte und komplexe
Welt mit zahlreichen Völkern, weltlichen und kirchlichen Hegemonialansprüchen und mittelalterlichen Strukturen, stellte Andreas Hansen, Bundesvorsitzender der Deutsch-Baltischen Gesellschaft in seiner Laudatio beim Festakt hervor. Verbunden damit seien seine Studien zur mittelalterlichen baltischen Stadt, Riga im Besonderen, zu den Beziehungen der livländischen Hansestädte untereinander und zu den Städtetagen als Quellen für die Rekonstruktion der handelspolitischen Tätigkeiten im Baltikum. Professor Misāns habe sich zudem durch seine akademische Lehre, seine Seminare und Vorträge bei den Deutsch-Balten den Ruf außergewöhnlicher Hilfsbereitschaft erworben.
Die emotionelle Verbindung zum Mittelalter werde in Lettland erst jetzt wieder aufgebaut, meinte Misāns. In der Zeit zwischen den Weltkriegen habe man ein lettozentrisches Geschichtsbild vertreten, das Einfluss und Erbe des Mittelalters an den Rand gedrängt habe. In der Zeit der Zugehörigkeit zur Sowjetunion nach 1945 sei das Mittelalter aus dem Geschichtsunterricht gelöscht worden, denn es belege, dass das Baltikum schon immer dem westlichen Kulturkreis angehört habe.
Mit dem Wandel in Ansichten und Verhalten befasste sich auch Dr. Konstantin von Freytag-Loringhoven in seiner Festrede zum Thema „Innovationsagentur oder Traditionsgemeinschaft?“ anlässlich des 75jährigen Bestehens der Baltischen Corporation Fraternitas Dorpatensis zu München. Schon bei der Gründung 1948 sei es nicht um die Vorherrschaft alter weiser Männer gegangen, so Freytag-Loringhoven, sondern darum, sich gegenseitig bei der Zimmersuche, der Jobsuche, dem Studium zu helfen. Unterstützt worden sei man besonders vom Deutsch-Baltischen Hilfskomitee und den Balten aus der Schweiz und Kanada. Bereits ein Jahr später habe man ein Akademikertreffen mit 300 Teilnehmern veranstaltet und sich stark in der Landsmannschaft engagiert. Ab den 60er Jahren seien auch Mitglieder ohne baltische Vorfahren aufgenommen worden. Zwar sei es vorgekommen, dass Mitglieder Schriften mit nationalsozialistischer Tendenz verfasst hätten und der neuen Ostpolitik sei man skeptisch gegenüber gestanden. Aber spätestens nach einer Gruppenreise 1972 ins Baltikum habe man versucht, enge Kontakte nach Dorpat zu knüpfen. Die Fraternitas bewahre ihre Tradition, es glücke ihr immer wieder ein Verjüngungsprozess und die Kommunikation mit Estland und Lettland sei sehr intensiv.
Für ihr großes Engagement zugunsten der Deutsch-Baltischen Gesellschaft dankte Andreas Hansen Margarete Ziegler-Raschdorf, die seit 2009 Hessens Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler war. Ihr Nachfolger MdL Andreas Hofmeister lobte den verantwortungsvollen Umgang der Balten mit der Geschichte und ihr starkes Eintreten für Europa.
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